21.03.2019: Rede zum Haushalt 2019

 

Haushaltsrede Haushalt 2019 -Bündnis 90 / Die Grünen im Rat der Gemeinde Nordkirchen 21.03.2019     (es gilt das gesprochene Wort)

In einem Lied von Silbermond heißt es so schön: Es reist sich besser mit leichtem Gepäck.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bergmann, sehr geehrte Damen und Herren
des Gemeinderates Nordkirchen, verehrte Gäste, interessierte Presse!

Es reist sich besser mit leichtem Gepäck,- Übertrage ich das auf unsere Haushaltssituation können wir sicherlich alle mit Fug und Recht behaupten: Wir haben unseren Rucksack um einiges an Gepäck erleichtert. Und das nicht nur um wegfallende Zinszahlungen, sondern auch um die Abhängigkeit kommender Entwicklungen am Finanzmarkt.
Wir könnten jetzt schneller und weiter gehen, als wir es mit unserem alten Rucksack jemals hätten tun können. Diese Reise, meine Damen und Herren, stellt unsere Zukunft dar! Die Wegmarken, die wir jetzt einschlagen, werden unsere Lebensqualität und die unserer Kinder und Enkelkinder für die nächsten Jahrzehnte festschreiben.

In Ihrer HHR Herr Bürgermeister haben Sie Ihre Marschrichtung für die Reise deutlich gemacht. Mit Weitsicht in die Zukunft !
Mit Weitsicht auf eine Reise zu gehen ist sicher klug. Dass Ihre Weitsicht sich da in erster Linie auf das finanzpolitische Handeln ausrichtet, läßt uns allerdings aufhorchen. Kann sich Weitsicht so beschränken? Beinhaltet Weitsicht nicht doch noch mehr?
Und ja: auch Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit finden in ihren Ausführungen Platz.
Weitsicht- Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit,- sie alle sind eng miteinander verknüpft, und stellen auch für uns GRÜNE die Grundlage unseres politischen Handelns dar.
Aber was bedeutet das nun genau?
Ursprünglich kommt der Begriff der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft und sagt nichts anderes als: Es darf nicht mehr Holz gefällt werden, als jeweils nachwachsen kann.
Jetzt fällen wir ja im Hauptgeschäft erstmal kein Holz. Und doch hat der Gedanke der Nachhaltigkeit also inzwischen auch bei uns Einzug gehalten.
Nachhaltigkeit, meine Damen und Herren, ist eine Entwicklung, die sowohl auf die Gegenwart, als auch auf die Zukunft ausgerichtet ist. Leider hat die Nachhaltigkeit ein bisschen was von einem Fisch, man kann sie schlecht fassen und noch weniger spitz auf Knopf im Haushalt darstellen. Selbst für unseren Kämmerer eine Herausforderung.
Aber auch, was heute materielle Werte schafft, die in der Zukunft noch immer Bestand haben, gilt als nachhaltig. Und damit kann der Haushalt arbeiten.
Mit dem barrierefreien Umbau der Grundschule Südkirchen, dem Bau eines energetisch verbesserten Umkleidegebäudes für den FC Nordkirchen, und mit Errichtung des Dorfgemeinschaftshauses in Capelle schaffen wir aber nicht nur nachhaltige Werte im HH. Nein, wir unterstützen damit auch die Menschen, die sehen dass eine Gesellschaft nur funktioniert, wenn jeder seinen Teil der Verantwortung übernimmt.
Dorfhelden wie unsere Verwaltung sie nennt. Ein schönes Wort !
Dorfhelden, das sind die Fußballtrainer und Betreuer,- das sind Feuerwehrleute, Büchereimitarbeiterinnen, Bürgerbusfahrer, Flüchtlingshelfer, Jugendleiter, private engagierte… ich könnte noch lange so weiter machen. Wer die Liste kennt, die uns jedes zweite Jahr zur Verfügung steht um den Ehrenamtspreis auszuloben, weiß um die Vielfalt und die Zahl der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Diesen Menschen können wir nicht oft genug Danke sagen!
Die genannten Investitionen haben neben der Unterstützung dieser gesellschaftlichen Werte noch einen charmanten Vorteil: Sie erhöhen unser Anlagevermögen und damit unser EK. Das Geld ist also gar nicht weg, sondern nur woanders. Da fällt es der Verwaltung nicht schwer Mehrheiten zu finden.
An dieser Stelle muss ich leider Wasser in den Wein gießen, denn anders sieht es bei Projekten aus, die sich nicht in Geld aufrechnen lassen.

Projekte, die trotzdem unsere Lebensqualität trotzdem nachhaltig beeinflussen.
Wer wirklich mit Weitsicht schaut, kann nicht umhin sie im Blick zu haben.
Der Veränderung unseres Klimas, unserer Umwelt ist unübersehbar, und abgesehen von Mr. Trump und seinen Anhängern haben das wohl inzwischen die meisten Menschen eingesehen.
Vermutlich gibt es trotzdem Zuhörer in diesem Raum die jetzt denken,- ahhh die GRÜNEN schon wieder … Aber ich sage Ihnen: Über diesen Punkt sind wir ALLE schon lange hinaus!
Wir sind über den Punkt hinaus, an dem Menschen, die für Umweltrechte kämpfen, als Ökospinner abgetan werden, wir sind den Punk hinaus darüber zu diskutieren, ob wir Windräder schön finden oder nicht – die Frage stellt sich doch gar nicht mehr !
Und wir sind über den Punkt hinaus, an dem wir überlegen ob Klimaschutz was kosten darf.
In Ihrer HHR Herr BM betonen sie, zukünftige Projekte sollen nur dann angestoßen werden, wenn sie sich „ im Sinne einer sparsamen Haushaltsführung rechnen „ Aber ich sage Ihnen: das Versäumnis kostet die Welt, die Wirtschaft und jeden einzelnen, und es wird immer mehr!
Unwetter, Sturmschäden, Überschwemmungen, trockene Sommer… Auch wir in Nordkirchen spüren den Klimawandel, – das ist FAKT – auch wenn der Bezug, dem ein oder anderen noch immer zu fern scheint. Aber wer im letzten Jahr mit offenen Augen durch unsere Landschaft gelaufen ist konnte es an vielen Stellen sehen. Der Gorbach, der über Monate kein Wasser führte, Feuchtbiotope die im Sommer trocken lagen, ausgedörrte Gärten, Wiesen und Felder, schlechte Ernten, Sturmschäden in den Wäldern…
Wir können also überlegen wo wir investieren wollen, in Schutz oder Schadenbeseitigung. Kosten wird es so oder so. Da bekommt Sparsamkeit, Herr BM, eine ganz neue Bedeutung.
2011 haben wir die Aufstellung eines Klimaschutzkonzeptes beschlossen, aufgestellt worden ist es aber nie! Umweltschutz ist kein grünes Randthema mehr, und gehört in den Fokus der zukünftigen Planungen. Und doch verdient er in ihrer HHR Herr BM nur einen einzigen Satz

Bedeutet das wirklich mit Weitsicht in die Zukunft?

Aber Weitsicht bedeutet ja nicht nur in die Zukunft zu schauen, Weitsicht bedeutet gleichermaßen auch in die Ferne, und damit über den eigenen Tellerrand zu schauen.
Denn wir leben hier nicht in einem kleinen gallisches Dorf meine Damen und Herren, und die Konsequenzen unserer Handelns gehen weit über unsere Gemeindegrenzen hinaus.
Ein wichtiges Handlungsfeld im Klima und U-Schutz ist die kommunalen GO und BLP:
Wo stellen wir Windkraft den notwendigen Raum zur Verfügung, und leisten so unseren Beitrag zur bundesweiten Energiewende?
Wo entwickeln wir neue Baugebiete und wie ist dort die Anbindung an die Infrastruktur?
Wie planen wir neu zu entwickelnde Baugebiete klimafreundlich?
Wie gestalten wir Ausgleichsflächen hier vor Ort?
Wie tragen wir in der Bewirtschaftung öffentlichen Grünflächen dem Artenschutz Rechnung?

Bauleitplanung wirkt sich also auf viele Faktoren unserer Umwelt aus. Ein komplexes Handlungsfeld. Wer sich mit Weitsicht auf diese Reise begibt, braucht einen Routenplan.
Übertragen auf unsere Flächenpolitik heißt das, wir brauchen ein Konzept zur Gewerbe- und Siedlungsflächenentwicklung, ein Konzept zur zukünftigen Nutzung älterer Wohngebiete und zur Ausschöpfung jeglicher Nachverdichtungspotentiale.
Aber Bauleitplanung wirkt sich natürlich auch direkt auf die Menschen aus auf für die wir planen. Und hier brauchen wir dringend ein Konzept, das auf einer breit aufgestellten Bedarfsermittlung beruht. Die Versorgung mit angemessenem Wohnraum sehen wir Grüne als eine der zentralen Gerechtigkeitsfragen der Gegenwart und Zukunft. Nicht jeder auf dem Land will und kann sich ein EFH bauen. Lt. einer Studie würden 60 % aller Menschen im Kreis Coesfeld einen Wohnberechtigungsschein erhalten!
Können Wartelisten für EFH da wirklich noch die Grundlage unserer Wohnbaupolitik sein? UND : Tragen sie den realen Lebensumständen der Bevölkerung noch Rechnung ?
Durch die vergangene Ausweisung von Siedlungsbereichen hat sich der Flächenverbrauch durch starre EFH Politik im Verhältnis zur EW Zahl vervielfacht. Die Flächenreserven neigen sich ihrem Ende zu. Fragen sie die Landwirte vor Ort! Der Bevölkerungszuwachs in Nordkirchen liegt von 1975 bis heute bei einem Plus von 24 % Der Zuwachs an Siedlungsflächen bei über 600 % !!! Die Gewerbegebiete gar nicht mit eingerechnet.
Sieht so nachhaltiges Handeln aus?
Es liegt nicht automatisch in der GRÜNEN Natur Wohnbaugebiete und Gewerbeflächen zu verhindern. Aber wir müssen genauer hinschauen meine Damen und Herren?
Was, wo, wie und für wen planen wir?
Andere Regionen zeigen es schon längst: So geht es nicht weiter! Man hätte weitsichtiger handeln müssen. Aber wir verplanen weiter unbeirrbar, unsere letzten Flächen ganz so wie wir es schon immer getan haben.
Sieht so wirklich Generationengerechtigkeit aus?
Wenn die Welt sich wandelt und auch die Kommune vor immer neuen Herausforderungen steht, reicht es nicht, das war wir bisher getan haben, einfach nur besser machen zu wollen. Wandel bedeutet Veränderung,- auch in der Reaktion auf die anstehenden Probleme.
Und Veränderungen spüren wir überall. Auch im örtlichen Einzelhandel
Generationenwechsel der Inhaber aber besonders das immer weiter wachsende Onlinegeschäft machen unseren Geschäftsleuchten vor Ort schwer zu schaffen. Das ändert auch eine noch so gelungene Neugestaltung der Schlossstraße nicht, Allein hier haben wir derzeit, wie an einer Kette aufreiht, mehrere Leerstände.
Der neue Digitalcampus ist eine tolle Sache. Modern, visionär, mutig, und er hat unsere vollste Unterstützung. Wenn er aber Geschäftsleute aus dem Dorf ins Gewerbegebiet lockt, läuft in diesem Bereich was schief. Das sollte man auf jeden Fall im Blick behalten.

Aber nicht nur die Wirtschaft auch die Gesellschaft bekommt ständige Veränderungen zu spüren. Gerade das Leben der Kinder und Jugendlichen unterscheidet sich heute maßgeblich von dem, das die allermeisten von uns noch als solche erlebt haben. Auch hier stehen wir alle vor neuen Herausforderungen. Und das nicht nur als Eltern !
Hier tragen wir gerade auch als Schulträger Verantwortung. Und deshalb ist es richtig, dass wir als Politik hier handeln.
In der HHR für den Bereich der Familienpolitik niederschwellige Angebote zu loben, und hier an die Zuständigkeit des Jugendamtes zu verweisen, ist für uns nicht nachvollziehbar. Jugendarbeit gehört dahin, wo die Jugendlichen sind. An die Schulen !
Und SSA setzt genau da an. Sie hat neben individueller Hilfe und Beratung von Schülerinnen und Schülern, Eltern und auch Lehrkräften die Förderung der sozialen Kompetenzen als Aufgabe. Verantwortung, Kommunikation und Zivilcourage, können in der in der heutigen, politisch bewegten Zeit, gar nicht hoch genug bewertet werden. SSA ist in unserer Nachbarkommunen schon längst fest verankert. Für eine zukunftsorientierte Ausrichtung unserer JCS, ist es wichtig und richtig hier nicht zurück zu bleiben. Die Bereitstellung einer entsprechenden Summe im Haushalt 2019, ob für MitarbeiterInnen des Junos oder zusätzlicher Kräfte, hätte für die Schulleitung die notwendige Planungssicherheit hergestellt.

Von einem Haushalt geht immer auch ein politisches Signal aus. Hier haben wir die Chance
Werten eine Stimme zu geben. Leider haben wir hier einen sehr leisen Haushalt vor uns liegen. Wir hören kein lautes JA
– Zum Schutz von Klima und Umwelt
– Zur Nachhaltigkeit durch eine ökologische Wohnbaupolitik
– Zur sozialen Verantwortung gegenüber unseren SchülerInnen
– Zur Generationengerechtigkeit im Flächen- und so Resourcenverbrauch
– Zum Mut neue Wege zu gehen
Aber die GRÜNEN werden diesen Werte trotzdem weiterhin eine laute Stimme geben. Dafür sind wir gewählt, das ist die Grundlage grüner Kommunalpolitik.

Zukunft wird aus Mut gemacht! Das ist unsere feste grüne Überzeugung!

Und da kann ich am Ende dann doch noch etwas Wein auffüllen.
Mit dem Reallabor „ Mobiles Münsterland „ gehen wir einen visionären Weg. Ein autonomer Shuttlebus in Nordkirchen ! Wer hätte das noch vor 5 Jahren für möglich gehalten? Die spinnen doch, hätte man als Antwort bekommen! Und JA das haben sie getan, und das ist gut.
Wichtig natürlich, dass es nicht zur Spinnerei verkommt oder bei Lippenbekenntnissen bleibt. Es muss gehandelt werden. Und dazu gehört ganz die Errichtung von weiteren E-Ladestellen und die Ausweisung von Carsharingplätzen, notfalls auch ohne Projekt und Fördergelder.
Wir haben einen geltenden Ratsbeschluss meine Damen und Herren, der sagt: … wir wollen dass … die Gemeinde Nordkirchen Maßnahmen entwickelt, die den CO2 Ausstoß im öffentlichen und privaten Sektor verringert. Sich als Kommune hinzustellen und zu sagen, dafür sind wir eigentlich nicht verantwortlich, ist nicht tragbar, und vielen Menschen, ganz besonders den Kindern und Jugendlichen, auch aus Nordkirchen, die jeden Freitag auf die Straße gehen um für unser Klima zu kämpfen nicht mehr zu vermitteln.
Zukunftsweisende Mobilität ist eine der zentralen Fragen für die Zukunft ländlicher Regionen, und sie ist ein riesen Faktor im Bereich der Energiewende. Und wer die Energiewende wirklich will muss handeln. Wer sie nicht will, möge bitte bessere Lösungsvorschläge präsentieren, um unseren Kindern, eine Zukunft zu ermöglichen.

Wir dürfen nicht mehr warten meine Damen und Herren.
Auch in diesem Haushalt ist wieder viel zu viel verschoben worden, viel zu viel ungesagt geblieben… Die Vorzeichen mögen sich geändert haben, das Ergebnis leider nicht.
Aus diesem Grund können wir dem Haushaltsplanentwurf 2019, und das sage ich jetzt ganz bewusst und ehrlich, leider, nicht zustimmen.
Für Ihre Arbeit möchten wir Ihnen Herr Bürgermeister und besonders Ihrer Verwaltung natürlich ganz herzlich danken. Sie haben Ihren Ansatz gut verfolgt, aber es ist eben nicht der unsere.
Und auch Ihnen, meine Damen und Herren des Gemeinderates möchte ich danken. Auch sie sind Dorfhelden! Auch sie investieren Ihre freie Zeit, um unseren Ort schöner und lebenswerter zu machen. Das wir hier oft nicht das gleiche Bild von der Zukunft zeichnen liegt dann wohl doch in der Natur unterschiedlicher Parteien…
Trotzdem, oder gerade deshalb, freuen wir uns auf ein neues politisches Jahr mit Ihnen!

Uta Spräner , Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die GRÜNEN im Rat d.G.Nordkichen



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