05.11.2018: Die versteinerten Gärten

Wenn ich durch unser Dorf gehe, fallen mir immer mehr Gärten auf, die verschwinden und durch Kies- oder Pflasterflächen ersetzt werden. Wenn ich in den letzten Monaten irgendwo einen Gärtnerwagen gesehen habe, wurden nicht neue Pflanzen gebracht, oder Hecken gepflegt, sondern alles Grün ausgerissen, der Boden ausgekoffert und mit einer Kunststoffplane jedes Nachwachsen verhindert. Auf die Plane kommt dann weißer Kies, manchmal mit Muster, oder es wird direkt gepflastert. Am Schluss dürfen dann vielleicht ein oder zwei, oft exotische Kübelpflanzen einziehen.

Die Steingärten mit ihren klaren Formen und ihrer Reduziertheit wirken dann etwas mediterran oder sogar- je nach Bepflanzung – asiatisch. Und vielen mag das gefallen. Ich will dennoch dagegen argumentieren.

Denn es gibt Argumente, die gegen einen Steingarten sprechen.

Das ökologische Argument.

Ein Steingarten ist eine Wüste. Er soll ja gerade kein Lebensraum für Pflanzen und Tiere mehr sein. Das bedeutet aber, dass heimische nützliche Insekten, Vögel und Kleinsäugetiere in ihm keine Heimat finden. Wo keine Erde ist, wo kein Halm verrottet und sich kein Laub sammeln darf, finden Insekten keinen Unterschlupf. Wo kaum etwas blüht, finden sie keine Nahrung. Gerade das massive Insektensterben der letzten Jahre sollte hier zu denken geben, denn es ist umgekehrt gar nicht schwer, mit etwas herumliegendem Holz, Laub und einigen heimischen Blütenpflanzen den Insekten Angebote zu machen. Ein „Insektenhotel“ aus dem Baumarkt ist da oft gar nicht nötig. Wo keine Insekten sind, bleiben auch die Vögel und kleine Nagetiere aus, deren Nahrung Insekten sind. Auch hier beklagen viele den Artenrückgang, und auch hier ist Abhilfe nicht schwer.

Das Klimaargument

Unser globales Klima hat sich aufgewärmt, Das wissen wir alle. Ein Grad klingt nicht nach viel, aber man sollte beachten, dass es während der letzten Eiszeit im globalen Mittel nur 4 Grad kälter war als unter normalen Bedingungen. Außerdem bleibt der Klimawandel leider nicht stehen sondern schreitet mit großer Geschwindigkeit voran. Von ca. 2- 2,5 Grad bis 2050 ist inzwischen die Rede. Wie kommen die Steingärten ins Spiel? Steingärten sind nicht nur ökologische Wüsten, sie haben auch eine klimatische Ähnlichkeit mit Wüsten, denn sie heizen sich auf. Wo also inzwischen empfohlen wird, schattenspendendes Grün sogar möglichst als Ranken an Hauswänden zu halten, wird mit der Anlage eines Steingartens Grün vernichtet und durch eine Fläche ersetzt, die keinen Schatten bietet. Dies beeinflusst sowohl das Mikroklima in den Straßen als auch global.

Wo das Klima wärmer ist, verdunstet auch mehr Wasser, bis es irgendwann abregnet: Starkregenereignisse werden so in Zukunft immer öfter vorkommen. Am Ende kann die versiegelte Fläche kein Wasser aufzunehmen. Dieses sucht sich dann stattdessen andere Wege – schlimmstenfalls ins nächste Kellerfenster.

Das philosophisches Argument

Wer ein Grundstück besitzt, also einen kleinen Teil der Oberfläche unseres gemeinsamen Heimatplaneten, der übernimmt in meinen Augen auch ein Stück Verantwortung. Es ist leicht, auf andere zu zeigen, wenn es um den Umgang mit der Natur geht, die Landwirte sind z.B. da das beliebteste Opfer. Aber warum sollte ein Gartenbesitzer für sein Land weniger verantwortlich sein als ein Bauer für seinen – zugegeben viel größeren – Betrieb? Wo fängt ökologische Verantwortung an und wo hört sie auf? Gibt es dafür eine Hektarzahl? Ich denke nicht.

Zum Schluss die Frage nach den Gründen ist. Wenn ich frage, warum sich Nachbarn eine Steingarten anlegen, dann höre ich fast immer den Satz: „Das macht weniger Arbeit.“ Auffällig ist aber auch, dass diese „Versteinerung“ der Gärten fast nur vor dem Haus stattfindet. Man scheut sich also offenbar, auf der Schauseite, da, wo die Nachbarn alles sehen, zu wenig zu tun und in den Augen der anderen vielleicht zu versagen. Und statt eines nicht picobello gepflegten Vorgartens hat man dann lieber gar keinen sondern eine neutrale Steinfläche. Doch was ist das für ein Argument? Warum sollte der Nachbar denn missgünstig dreinschauen, wenn nicht alles Unkraut gezupft und alles Laub geharkt ist? Sind wir wirklich so? Und ist man sich sicher, dass eine Kiesfläche stattdessen die Anerkennung der anderen findet? Ich fürchte, hier herrscht ein Trugschluss.

Weniger Angst und mehr Mut täte unseren Gärten sicher gut.

Uli Stüeken



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